Die Geschichte der Volkshochschule Stade

Der Volkshochschulgedanke, und damit auch die Volkshochschule Stade, hat zwei Wurzeln im 19. Jahrhundert. Das ist zum einen der Heimvolkshochschulgedanke in Skandinavien, vor allem in Dänemark, der vom Pastor und Pädagogen Nikolai Grundtvig entwickelt wurde. 1844 eröffnete er die erste Volkshochschule mit dem Gedanken u.a. des lebenslangen Lernens. Die zweite Wurzel ist die Volksuniversität; die erste wurde in Deutschland 1879 mit der Humboldt-Akademie eröffnet.

Konkrete Pläne zur Einrichtung von Volkshochschulen im Regierungsbezirk Stade wurden bereits am Ende des Ersten Weltkrieges entwickelt. Eine regelrechte Volkshochschulbewegung entstand aber erst im Sommer 1918, Zentren waren Geestemünde, Zeven, Rotenburg, Fischerhude und eben auch Stade.

Hier in Stade wurde auf Veranlassung des damaligen Regierungspräsidenten Grashoff ein „Jugendpflegekursus“ unter Leitung des Schulrats Hermann Otto abgehalten, auf dem Otto seine Vorstellungen über die Einrichtung von Volkshochschulen vorstellte. Hermann Otto, 1866 in Pommern geboren, war 1914 als Schulrat nach Stade versetzt worden.

Seine Idee stieß auf spontane Zustimmung, und noch während des Kurses wurde ein Volkshochschulbund gegründet, dem sofort mehrere Hundert Mitglieder beitraten. In einer besonderen Versammlung stellte Otto den Gedanken auch den Vorstehern der Landgemeinden im Kreis Stade vor, die dem Bund ebenfalls beitraten.

Diese wohl überraschend emphatische Zustimmung bewog den Regierungspräsidenten, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und bei der Regierung ein Dezernat für das Volkshochschulwesen einzurichten. Noch vor dem Ende des Ersten Weltkrieges fand eine erste grundlegende Besprechung am 10. Oktober 1918 in Rotenburg statt. Zur weiteren Entwicklung wurde ein vorbereitender Ausschuss gebildet, dem auch Schulrat Hermann Otto, der spätere Direktor der Volkshochschule, als Vertreter des Regierungspräsidenten angehörte. Die nächste Versammlung war für den 25. November 1918 in Bremen vorgesehen. Ort der Volkshochschule sollten Stade oder Zeven sein.

Die Kosten der Volkshochschule sollten weitgehend von den Schülern selbst aufgebracht werden, durch Schulgeld und Kostgeld. Allerdings kalkulierte man auch Zuschüsse der Kommunalverbände ebenso wie Beihilfen des Staates mit ein. Geplant wurde zunächst nur eine Volkshochschule, die ihren Standort in Stade oder in Zeven haben sollte.

Die weitere Arbeit an dem Unternehmen blieb durch das Kriegsende zunächst stecken. Sie wurde aber im gesamten Staat wieder angeschoben durch den Erlass des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Konrad Haenisch, vom 25. Februar 1919. Die Not der Zeit offenbare „so eindringlich wie denkbar“, hieß es darin, die „Notwendigkeit der Arbeitsgemeinschaft aller Volkskreise“. Man müsse Brücken schlagen zwischen dem kleineren Volksteil, der geistig arbeite, und dem „immer größer bleibenden Teil unserer Volksgenossen, der mit der Hand schafft aber geistig hungrig ist.“ Der Handarbeiter in Stadt und Land müsse teilnehmen können an den Errungenschaften seiner in geistigen Werkstätten schaffenden Volksgenossen.

Auf diesen Erlass hin fand am 9. April 1919 zunächst eine Dienstversammlung der Landräte beim Regierungspräsidenten statt. Am 22. April gab Schulrat Otto beim Magistrat zu Protokoll, dass die Gründung einer Volkshochschule in der Stadt Stade erwünscht sei. Ebenso erwünscht sei, dass die Stadt dafür Räume zur Verfügung stelle.

Die Volkshochschule solle als Externat gegründet, die Schüler in Pension gegeben werden. Als Räume würden sich die drei Zeichensäle der gewerblichen Fortbildungsschule mit jeweils 36 Plätzen, für Gesamtvorträge der große Rathaussaal eignen. In seinem Haushaltsplan stellt Otto einen Zuschuss der Stadt von 2.000 Mark ein, jeweils 1.000 Mark für die Überlassung der Räume bzw. Heizung, Reinigung und Beleuchtung.

Einen Tag später, am 23. April, erging der zweite Erlass des Ministers. Er empfahl die zu gründenden Volkshochschulen an die Gemeinden anzulehnen. Dort, in den Gemeinden, sollten „Volksbildungsausschüsse“ gebildet werden, die sich aus Vertretern des Volksbildungsgedankens zusammensetzten. Die Volkshochschule sollte nach dem Willen des Ministers eine „Arbeitsgemeinschaft“ darstellen, in der „handarbeitende Volksgenossen“ mit akademisch gebildeten „Arbeitern aus geistigen Werkstätten aller Art“ zusammentreffen.

Ein kleinerer Ausschuss traf sich am 5. Mai 1919 und legte die Richtlinien für die neuen Volkshochschulen fest. Sie sollten Erwachsene ab dem 18. Lebensjahr aufnehmen, in der Regel junge Erwachsene im Alter von 18 bis 20 Jahren; ältere Hörerinnen und Hörer sollen aber auch zugelassen werden. Die Unterrichtszeit sollte sich von Anfang November bis Ende März jeden Jahres erstrecken, also 20 Wochen umfassen, vormittags vier und nachmittags zwei Stunden. Insgesamt 5 Volkshochschulen sollten im Bezirk gebildet werden, in Stade, Geestemünde, Blumenthal, Verden und Zeven. Dem Standort Stade wurden die Kreise Stade, Jork und Kehdingen – also etwa der heutige Großkreis Stade – sowie die Kreise Neuhaus und Hadeln zugeordnet.

Eine Denkschrift des Regierungspräsidenten vom 22. Mai 1919 fasste die Ergebnisse zusammen. Die Volkshochschule sollte sich weniger an bereits länger Erwerbstätige, sondern mehr an die Jugend richten. In Deutschland komme es darauf an, die Jugend „in die Hand zu nehmen, sie mit neuen Gedanken zu füllen, sie für die hohen sittlichen Güter unseres Volkes zu begeistern“. Es sei ein Unglück, dass bisher sich eine Minderheit die Kultur aneigne, während das ganze Volk in seinen großen Massen im Dunkeln bliebe. Ziel der Volkshochschule sei eine allgemeine Volksbildung für beide Geschlechter.

Die Volkshochschule sollte grundsätzlich entgeltlich sein, da das geschätzt werde, wofür man bezahlen müsse. Ein wichtiges Ziel sei in der Praxis „eine enge, frohe und erfolgreiche Arbeitsgemeinschaft zwischen Lehrern und Hörern.“

Am 22. September legte die Verwaltung den städtischen Kollegien eine Vorlage vor, nach der ab 1. Oktober 1919 „der Versuch mit der Gründung einer Volkshochschule“ gemacht werden solle. Die fünf beteiligten Kreise sollen auf 5 Jahre jeweils einen Jahreszuschuss von 5.000 Mark leisten, der Staat werde weitere 10.000 Mark zuschießen. Der Unterricht solle in Stade in den Räumen der gewerblichen Fortbildungsschule, des ehemaligen Lehrerseminars, erteilt werden. Für gemeinsame Vorträge würde der große Rathaussaal benutzt. Die Stadt solle diese Räume unentgeltlich und mit Heizung, Beleuchtung, Reinigung zur Verfügung stellen; diese Leistung werde mit 2.000 Mark veranschlagt.

Am 6. Oktober 1919 stimmten Magistrat und Bürgervorsteher auf ihrer gemeinsamen Sitzung der Vorlage zu. In den Schulausschuss wurden gewählt Senator Friedrich Scheele und die Bürgervorsteherin der SPD, Mathilde Pelz.

Am 12. Oktober 1919 wurde auf einer Sitzung bei Landrat Cornelsen beschlossen, einen Verwaltungsausschuss für die Volkshochschule zu bilden. Die vier Kreise Stade, Jork, Kehdingen und Hadeln – der Kreis Neuhaus war nicht mehr dabei – sollten je drei Vertreter entsenden, die Stadt Stade zwei. Der Kreis Stade nominierte Schulrat Otto, Gemeindevorsteher Mügge aus Düdenbüttel und Bürgervorsteher Nicolaus von Borstel aus Stade, die Stadt Scheele und Pelz. Bis zur Bildung dieses Verwaltungsausschusses sollte der provisorische Arbeitsausschuss im Amt bleiben, dem angehörten Schulrat Otto, Redakteur Ernst Teßloff, Senator Scheele, Bürgervorsteherin Pelz, Landrat Cornelsen und je einem Vertreter der übrigen drei Kreise.

Der Arbeitsausschuss wurde ermächtigt, mit den Vorarbeiten für die Durchführung von Vortragskursen zu beginnen. Zum Direktor der Volkshochschule wurde Schulrat Otto gewählt. Am Wochenende 18./19. Oktober erschien zweimal im „Stader Tageblatt“ der „Aufruf zur Gründung einer Volkshochschule in Stade“, unterschrieben von den Mitgliedern des Arbeitsausschusses Landrat Cornelsen, Schulrat Otto, „Frau Pelz“, Senator Scheele und Arbeitersekretär Teßloff.

Die Gründung der Volkshochschule wurde in direktem Zusammenhang mit dem Neuanfang nach dem Weltkrieg gesehen. „Unser Volksleben muß neu aufgebaut werden. Aus den Trümmern des zusammengebrochenen Staates muß ein Neubau hervorgehen, der getragen sein muß von der bewussten Mitarbeit aller Bevölkerungskreise… Ohne eine vertiefte Allgemeinbildung ist die Fähigkeit zu politischen Urteilen und Handeln nicht denkbar… In diesen Dienst will sich die Volkshochschule stellen…“

Für die VHS Stade wurden bereits 1919 insgesamt 17 nebenamtliche Dozenten gewonnen, 15 Lehrer, ein Pastor (Starcke) und ein Stabsarzt. Am 27. Oktober 1919 wurde der Arbeitsplan für das Winterhalbjahr 1919/20 veröffentlicht.

Ausdrückliches Ziel der Volkshochschule war, „die Freude an geistiger Arbeit in die Gesamtbevölkerung“ hineinzutragen, zu „echtem Volkstum, freudigem Gemeinsinn und edlem Menschentum“ zu erziehen. Die Volkshochschule sei eine freie Bildungsstätte, in die alle Personen eintreten dürften, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Als Angebote der VHS wurden bezeichnet Vortragsreihen, in denen ein abgerundetes Stoffgebiet gemeinverständlich behandelt werde, und Arbeitsgemeinschaften, in denen Lehrer und Hörer gemeinsam an der Durchdringung des Stoffes arbeiten. Das „Hörgeld“ wurde auf 30 Mark festgelegt für die Teilnahme an sämtlichen Vorträgen, 3 Mark für einzelne Vortragsreihen und 30 Pfennig für den einzelnen Vortrag.

Zunächst wurden insgesamt 13 Vortragsreihen angeboten an den sechs Abenden der Werktage, jeweils einstündig, im Zeitraum von 18.30 bis 21.30 Uhr. Veranstaltungsräume waren neben dem Rathaussaal die Aula des Gymnasium, die Knaben-Mittelschule (Schiefe Straße 2) und die Winterschule (die heutige Kreisjugendmusikschule). Schulrat Otto unterrichtete beispielsweise Staatskunde und Volkswirtschaftslehre, Dr. Galle, Direktor des Lyzeums, Kunstgeschichte, Pastor Fritz Starcke „Goethes Faust“, Mittelschullehrer Buchholz Geographie, Seminarlehrer Klünder Umgangslehre, Studienrat Dr. Scholz zweistündig Deutsche Sprache und Literatur; Oberlehrer Dietrich Mahnke bot Übungen im philosophischen Denken an, ausgehend von Fichtes „Bestimmung des Menschen“. Nachgeschoben wurden zwei weitere Arbeitsgemeinschaften über die Französische Revolution und eine Einführung in den wissenschaftlichen Sozialismus.

Am Sonntag, 2. November 1919 um 11 Uhr wurde die Volkshochschule Stade im überfüllten großen Rathaussaal feierlich eröffnet. Die „Stader Stadtkapelle“ spielte, nach Schulrat Otto sprachen Landrat, Bürgermeister, Ratsvorsitzender und der Vorsitzende des Arbeiterrates Moritz Wilhelm. Wilhelm betonte, der Arbeiter- und Soldatenrat habe tief empfunden, wie sehr den unteren Schichten die Kenntnisse fehlten, dass sie von der Gütern der Bildung ausgeschlossen seien nur, weil ihnen das Geld fehle. Die Volkshochschule wolle nun der ganzen Bevölkerung die Möglichkeit zur Bildung geben, dazu wünsche der Arbeiterrat Glück.

Der Betrieb der Volkshochschule begann, wie Schulrat Otto schrieb, erfolgreich; er war aber von Beginn an geprägt durch finanzielle Schwierigkeiten; beispielsweise fehlte das Geld, den Hausmeistern eine Entschädigung für ihre zusätzlichen Dienststunden zu bezahlen. Am 30. Januar 1920 teilte der Regierungspräsident mit, dass für Volkshochschulzwecke nur sehr beschränkte staatliche Mittel zur Verfügung stünden, im Allgemeinen also „Überweisungen“ nicht erfolgen könnten. Schulrat Otto beantragte allerdings am 25. März 1920 eine Beihilfe von 5.000 Mark, was der RP befürwortete.

Im ersten Jahr ihres Bestehens war die Volkshochschule eher eine Volksuniversität, der eigentliche Unterricht im sog. Wintersemester fand noch nicht statt. Auch für das zweite Jahr des Bestehens war er offenbar noch nicht geplant, denn Direktor Hermann Otto richtete, wie im Vorstand und Verwaltungsausschuss berichtet wurde, erst kurzfristig, nahezu handstreichartig, einen Tageskursus für ländliche Jugendliche ein, der am 15. November 1920 begann. Damit sei man, wie der Stader Landrat Cornelsen zustimmend betonte, dem Ziel einer vollwertigen Volkshochschule näher gekommen. Im kommenden Jahr 1920/21, berichtete Otto, sollten neben den Tageskursen und den Arbeitskursen abends in Stade auch Kurse in Otterndorf, Freiburg und größeren Ortschaften im Kreis Stade abgehalten werden.

Über dieses zweite Schuljahr erstattete Otto am 1. November 1921 einen detaillierten Bericht. Die Zahl der abendlichen Arbeitsgemeinschaften von 19.30 bis 21 Uhr war auf sechs reduziert worden. Zum ersten Mal wurde eine Tagesvolkshochschule durchgeführt, bei der täglich von 8 bis 13 Uhr unterrichtet wurde: Deutsche Literatur, Staatskunde, Lebenskunde, Philosophie, Sprach- und Stillehre, Geschichte, Mathematik, Rechtskunde, Geographie und Baukunst. Als „neue“ Lehrer traten in Erscheinung Seminarlehrer Heinrich Holsten (Schulrat nach dem Zweiten Weltkrieg) für Geschichte und Rechtsanwalt Martin Hertz für Rechtskunde.

Von Neujahr bis Ostern 1921 wurden auch Vortragsveranstaltungen in Otterndorf und Altenbruch angeboten. Im Sommerhalbjahr 1921, vom 1. Mai bis 30. September, wurden in Stade acht Arbeitsgemeinschaften durchgeführt, u.a. „Von der Kindesseele“ durch Schulrat Otto. Eröffnet wurde das Programm mit „künstlerischen Volksspielen“ im Rathaussaal und in der Cosmaekirche. Schließlich bot die VHS auch Unterhaltungsabende und Einzelvorträge an, u.a. zu den wirtschaftlichen Wirkungen des Pariser Diktats und zur Bedeutung Oberschlesiens für Volk und Vaterland.

Der Haushalt der VHS für das Rechnungsjahr 1920/21 umfasste gut 21.000 Mark. Davon wurden fast 30% durch Hörergelder aufgebracht, 20% durch einen „Wohltäter“. Im nächsten Rechnungsjahr stieg der Bedarf der VHS auf knapp 28.000 Mark, von denen fast 40% durch Hörergelder einkamen, immerhin wieder 8% durch „Wohltäter“. Die Zahl der „Teilnehmer“ betrug nach einem Bericht des Magistrats 460.

In den ersten Jahren hatte die Volkshochschule also drei Standbeine entwickelt: sog. Arbeitsgemeinschaften an den Abenden, Vortragsveranstaltungen in Stade wie auch in den anderen Kreisen und ab November 1920 die sog. Tagesvolkshochschule in den Winterhalbjahren, die meist in einem Zeichensaal der Berufsschule stattfand.

Ab 1929 ist der Stundenplan der Tagesvolkshochschule überliefert, jeweils vormittags 5 Stunden von Montag bis Sonnabend. Die Fächer umfassten ein breites Spektrum von Literatur und Staatsbürgerkunde über Niederdeutsche Literatur, Sprach- und Stillehre, Weltanschauungsfragen, Anthropologie, Glaubensfragen bis zu Gartenbau und Pflanzenverwertung. Das Haushaltsvolumen betrug im Voranschlag inzwischen in den Ausgaben 5.500 Reichsmark mit einem Fehlbetrag von immerhin 10%, der allerdings halbiert werden konnte. An der Tagesvolkshochschule nahmen 25 Schüler teil, davon zwei aus der Stadt. Fünf von ihnen waren erst 14 Jahre, die älteste 20 Jahre. Der überwiegende Teil kam aus den Kleinkreisen Stade und Jork.

Die Volkshochschule war also inzwischen stark auf die eben schulentlassene Jugend vom Lande ausgerichtet; es wurden auch drei landwirtschaftliche Sonderarbeitsgemeinschaften –Vererbungslehre, Gartenbau, Pflanzenphysiologie – angeboten.

Im Haushaltsjahr 1930/31 konnte der Haushalt im Plan durch höhere öffentliche Zuschüsse wieder ausgeglichen werden, im Abschluss aber gab es einen Fehlbetrag. 1932 musste die Tagesvolkshochschule eingestellt werden. Auch die Stadt Stade sah sich wegen ihrer schwierigen Finanzlage nicht imstande, Mittel bereitzustellen. Die Arbeit der Volkshochschule wird daher vielleicht bereits vor 1933 ihr Ende gefunden haben, spätestens aber mit der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten. Hermann Otto verließ die Stadt.

Die Volkshochschularbeit wurde schnell nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unter dem Dach des 1947 gegründeten Kulturkreises wieder aufgenommen. Die Erwachsenenbildung wurde innerhalb des Kulturkreises unter der Bezeichnung „Volkshochschule Stade“ – so die Satzung – eigenständig mit gesonderter Rechnungslegung geführt. Erste Kurse waren bereits ab Juli 1946 durchgeführt worden; im ersten Jahr ihres Bestehens waren es immerhin schon 16. Bis zur Währungsreform stieg die Zahl der im Jahr durchgeführten Kurse auf 100 mit 1.906 Hörern. Danach brach die Arbeit zunächst ein und konnte sich nur langsam wieder erholen.

Im Jahr 1952/53 wurden immerhin bereits wieder 146 Kurse und Vorträge (einschließlich der sog. Jugendvolkshochschule) durchgeführt mit zusammen 2.865 Teilnehmern, davon 56% Frauen. Fast die Hälfte aller Teilnehmer waren unter 21 Jahren, weitere 10% 21-25 Jahre alt. Über 40 Jahre waren nur 12%. Interessant ist auch die Gliederung der durchgeführten Veranstaltungen. Fast 30% der Kurse betrafen die Kaufmännische Berufspraxis, jeweils 10% Fremde Sprachen bzw. waren Elementarkurse (Deutsch, Rechnen etc.). Über 500 Zuhörer hatten Veranstaltungen im musikalischen Bereich. In den Elementarkursen waren 82% der Teilnehmer Männer.

Kulturkreis und Volkshochschule wurden von der Stadt sowie dem Landkreis von Beginn an finanziell gefördert. In den Jahren 1951 und 1952 waren z.B. 1.200 DM für die VHS veranschlagt, die Stadt war aber 1952 in derartigen finanziellen Schwierigkeiten, dass der Zuschuss erst 1953 angewiesen werden konnte. Der Landkreis gewährte 1.600 DM.

Um die Landeszuschüsse hatte die VHS ebenfalls zu kämpfen; 1953 beabsichtigte man dort, die Zuschüsse zu kürzen und nach der Höhe der örtlichen Zuwendungen auszurichten. Ohnehin zahlte die VHS Stade ihren Dozenten nur 8,-- DM je Doppelstunde, während der Landesrichtsatz 10,-- DM betrug. Im Frühjahr 1953 musste man die Honorare vorübergehend sogar auf 7,-- DM kürzen.

Die finanziellen Schwierigkeiten der VHS trafen zusammen mit gravierenden Haushaltsproblemen der Stadt. Dies kumulierte, als der Vorsitzende am 28. Januar 1957 um eine Erhöhung des Zuschusses um 800 DM bat.

Der Kulturausschuss empfahl auf diesen Antrag hin, vorsorglich 500 DM, nicht 800 DM, in den Haushaltsplan 1957 einzustellen. Der größte Teil des Mehransatzes sollte für die Beschäftigung einer zusätzlichen Reinigungskraft verwandt werden. Dies war erforderlich geworden, weil der größte Teil der Kurse in der Mittelschule durchgeführt wurde, im Haus Wallstraße 17, und der Hausmeister sich über die Mehrbelastung beklagt hatte. Darüber entstanden wiederum unerquickliche Auseinandersetzungen. Schließlich beantragte die VHS am 19. März 1958, den städtischen Zuschuss von 1.200 auf 3.200 DM zu erhöhen und begründete dies mit einem Mehrbedarf von 2.500 DM, vor allem durch eine notwendige Erhöhung der Honorare von 10,-- auf 12,50 DM je Doppelstunde.

Der Vorstand des Kulturkreises, hieß es in dem Antrag, frage sich, ob der Verein sich bei diesen Schwierigkeiten noch weiter mit der Trägerschaft für die Volkshochschule belasten dürfe, zumal „unsere Arbeit nicht vom Zeitgeist getragen wird“. Sie hätten den Eindruck, dass ihre Arbeit von der Stadt nicht gewürdigt werde, das zeige sich an Zwischenfällen und überhaupt dem fehlenden Interesse an den Veranstaltungen. Ohne Lösung der Zuschussfrage könne die VHS nicht weiterexistieren.

Der Antrag und die harten Worte des Vorstands wurden sofort im Kulturausschuss beraten und die VHS zur Vorlage ihrer Bilanzen aufgefordert. Nach dem Kassenbericht für das Geschäftsjahr 1956/57 hatte die VHS Einnahmen in Höhe von 20.285,19 DM. Dem standen Ausgaben in Höhe von 20.075,97 DM gegenüber. Ohne den übernommenen Kassenbestand aus dem Vorjahr ergab sich damit eine Unterdeckung von gut 260 DM oder 1%. Die Hörergebühren umfassten knapp die Hälfte der Einnahmen. Der Haushaltsplanvoranschlag für 1958/59, der bereits den erhöhten Zuschuss der Stadt einsetzte, schloss dennoch mit einer Unterdeckung von 512 DM.

Der Kulturausschuss beschloss daraufhin, den Zuschuss an die VHS für 1958 auf 3.700 DM (einschließlich der Reinigungszulage) zu erhöhen. Gegen diesen Beschluss wandte sich sofort Bürgermeister Heyderich in einem Schreiben an den Stadtdirektor. Schulrat Holsten habe gemeint, die Stadt müsse die Volkshochschule selbst übernehmen, wenn der Kulturkreis sie nicht mehr trage. Es sei an der Zeit, darauf hinzuweisen, dass die Stadt nur diejenigen Aufgaben freiwillig übernehmen könne, die ihr finanziell zu tragen möglich sei. Daher sollten alle Vereine und Verbände, die kulturelle Aufgaben pflegen, darauf hingewiesen werden, dass die Stadt nicht mehr in der Lage sei, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Es müsse ein Ende haben, immer nach der öffentlichen Hand zu rufen.

Nach langen Streitigkeiten wurde schließlich im Nachtrag 1958 ein weiterer Zuschuss von 1.500 DM bewilligt.

Im Laufe der 1960er Jahre war die Arbeit der VHS rückläufig. Das „Tageblatt“ berichtete am 13.6. 1967, dass nur noch 59 Kurse mit 1.056 Teilnehmern durchgeführt wurden, dazu sieben Vortragsreihen mit 31 Abenden und 10 Kulturfilm-Abende. Im Rahmen der Jugendvolkshochschule fand ein Bastellehrgang und neunmal ein „Offenes Singen“ statt.

1970 erhielt die VHS, obwohl sie innerhalb des Kulturkreises blieb, eine eigene Satzung, und 1979 wurde sie in einen eigenständigen Verein umgegründet. In der Beschlussvorlage für den Stader Rat im Dezember 1978 wurde bei einem Gesamthaushalt der neuen Volkshochschule von etwa 280.000 DM von einem städtischen Zuschuss in Höhe von 40.000 bis 50.000 DM ausgegangen, beides wohl irreale Summen, die in der Praxis schnell überholt wurden.

Im Haushalt 1979 lag der Zuschuss bei 29.700 DM, 1980 bei 50.000; im Nachtrag wurde er dann auf 72.500 DM angehoben. 1985 war bereits ein Zuschuss von 240.000 DM erforderlich, um den Haushalt ausgleichen zu können.

Damit war die heutige Volkshochschule auf den Weg gebracht.